Er
sitzt gebückt auf seinem Stuhl und alles was um ihn herum geschieht erscheint
ihm unerträglich. Alles wirkt wie eine Farce und es zerreist ihm in seiner
Trauer und den Bildern des Todes fast das Herz. Seine Augen füllen sich mit
Tränen und sind mit dunklen Rändern begleitet. Der Heuchelei um ihn herum will
er nicht beiwohnen, also verkneift er sich seine Tränen. Sein innerer Kampf
wird für sie immer sichtbarer. Die Kieferknochen treten durch seinen Biss
hindurch die Kälte in seinem fahlen und weißen, ebenso wie zusammengefallenen
Wangen zum Vorschein. Sein Blick ist kalt und leer. Selbst seine Augen haben
ihr strahlendes Blau verloren. In ihm steigt immer mehr Wut empor. Nicht wegen
dem Verlust. Nicht wegen dem Tod. Nicht wegen der Trauer oder der Einsamkeit,
sondern einzig und allein wegen der Kälte der Menschen die ihn gerade jetzt
umgeben.
Nur
aus einiger Entfernung ist es ihr gegeben bei ihm zu sein. Bei ihm und seinem
Bruder, der alles tun möchte, damit es ihm wieder besser geht.
Er
trauert mit ihm um die Verstorbene, genauso wie er um ihn und den vorhandenen
Leid trauert. Es ist ihm ein Anker, ihn an seiner Seite zu wissen, auch wenn er
es nicht äußern kann, ebenso wie all die Gedanken die durch seinen Geist der
Einsamkeit und des Schmerzes strömen.
Wie
soll es weiter gehen? Für ihn eine wichtige Frage. Doch eine Antwort vermag ihm
keiner geben, da keiner anwesend zu sein scheint, der ihm eine Antwort geben
möchte. Jeder ist in seiner Tagesordnung und da darf es keine Trauer und auch
keinen Verlust geben, ebenso wie es keinen Schmerz und keine aufrichtigen
Tränen geben darf. Alles erscheint nur wie ein Spiel und er steht hilflos
mittendrin. Wie kann sie ihm helfen? Was kann sie tun, damit es ihm wieder
etwas besser geht? „Kind du musst deiner Trauer freien Lauf lassen. Du kannst
nicht alles in dir verbergen, nur aus der Gleichgültigkeit der anderen und
deiner Angst heraus. Du musst dich davon befreien.“ Das und noch viel mehr
möchte sie ihn wissen lassen und ihn schützend in ihre Arme hüllen.
Geduldig
ertragen sie das Szenario, welches sich in der eisigen Kälte bietet.
Anschließend macht er sich daran die Räumlichkeiten und die Trauergesellschaft
fluchtartig zu verlassen. Am liebsten möchtest er rennen. Ganz weit weg rennen,
nur damit er mit sich und seinem Schmerz alleine sein kann. Damit er einfach
sein kann und nicht mehr so tun musst als ob. Du willst nicht so sein wie alle
anderen, obwohl die Einsamkeit frisst ihn bald auf. Seinen Bruder hält er fest
in seiner Hand und sie rennen von dannen.
Sofort
erkennt sie was geschieht und da das Geschehen keinem weiter auffällt, folgt
sie ihnen ganz intuitiv. Auch, wenn sie damit die Formen des Scheines der
restlichen Gesellschaft über Bord wirft und sie missachtet, doch seine Sorgen
und seine Trauer, sein für sie sichtbarer Schmerz ist so groß, das ihr
Mitgefühl nicht anders kann, als den beiden Kindern zu folgen. Irgendwann weit
ab vom eigentlichen Geschehen bleiben sie stehen, wissend das sie bei ihnen
ist.
Er
lässt sich in ihre Arme sinken und einfach nur halten. Eine lange Weile stehen
sie da. Sie schweigen und sie hält ihn einfach nur in ihren Armen. Das erste
Mal, seit er dem Tod in die Augen blicken musste, konnte er loslassen und die
Nähe zu einem Menschen zulassen. Das erste Mal seit diesem Erleben, konntest er
für diesen langen Moment schwach sein und spüren das er aufgefangen, getragen
und gehalten wird.
Einfach
nur da stehen und nicht alleine sein. So verweilen sie eine lange Weile, selbst
die empörten Beobachter lassen sie an sich vorbei ziehen. Als wäre er behütet
und beschützt in einem Kokon und nichts von dieser Scheinwelt kann ihm etwas
anhaben. Zum ersten Mal seit diesen Tagen bekommt er von dem nichts mit und
lässt einfach geschehen was geschieht. Alle Kontrolle über ihn, seinen Körper
und die Gegebenheiten zwischen all diesem Ganzen lässt er endlich los.
Irgendwann
lösen sie sich aus ihren Umarmungen und laufen umher. Sie halten sich alle an
den Händen und laufen einfach so vor sich hin. Immer wieder versucht sie ihm
Mut zu zusprechen, denn alles was sich in ihm angesammelt hat muss raus, sonst
zerfrisst es seine Seele. Dafür ist er
einfach noch zu jung und zu klein. Sie reden lange und immer mehr kannst
er sich öffnen, als wäre sie eine Insel, der er immer mehr vertrauen schenken
kann. Ein Ort an dem er einfach sein kann und reichlich mit Wärme, Liebe, Trost
und Geborgenheit beschenkt wird. Immer wieder ist der Tag mit langem Schweigen
unterbrochen, doch es bedarf auch keiner weiteren Worte, denn alles was es zu
sagen gab, wurde gesagt. Sie sitzen bis zum Abend und tragen sich gegenseitig
in all dem was in ihnen wohnt, bis sie sich wieder trennen müssen.
Eine
Trennung mit dem Wissen für ihn, das diese Insel immer vorhanden und für ihn
erreichbar ist, wann immer er es will und braucht. Eine Insel auf der er
einfach sein kannst und die ihn geborgen und sicher einhüllt. Dem Wissen er ist
nicht mehr einsam und allein, sondern immer gibt es jemanden der ihn auffängt
und hält.
C. by Emma Wolff (3.2.2012)
Liebe Emma,
AntwortenLöschendiese Geschichte hat mit tief ergriffen. Subtil führst Du mit wunderbaren Worten durch das Geschehen, durch eine tiefe Trauer, an dessen Ende ein Licht der Hoffnung aufflackert. Du zeichnest die falsche Heuchelei der Menschheit auf, unaufdringlich, aber bestimmt. Oft entsteht diese durch Hilflosigkeit gegenüber trauernden, oft aber ist es nur gespieltes Mitleid.
Danke für diese wunderbare Erzählung...
Herzlichst und alles Liebe
Hans-Peter
Lieber Hans - Peter,
Löschenhab vielen lieben Dank für deine Worte. ES gibt immer viele Gründe die Menschen so handeln lässt, zwei davon hast du schon genannt, ebenso ist es aber auch die eigene Angst, Nähe zuzulassen oder auch die Angst sich mit der Thematik und dem Tod auseinander zusetzen, wobei er ebenso zu uns gehört wie das Leben an und für sich.
So wünsche ich dir einen wundervollen Sonntag und schicke dir ganz viele liebe Grüße in die Schweiz...
Emma