Sonntag, 26. August 2012

Geschichten des Lebens XXXI – Am See




Die Sonne des Tages steht schon wieder etwas tiefer und hüllt den Garten und den angrenzenden Park in ein golden schimmerndes Licht. Die Vögel zwitschern und der Garten ist auch sehr natürlich gehalten, so dass die Grenzen zum umliegenden Land sehr miteinander Verschwimmen und wie eins wirken. Die Rosen duften wundervoll und mit dem ihr gebotene Bild scheinen diese sie zu betören. Das zarte Orange der gefärbten Wolken, durch den beginnenden Sonnenuntergang, spiegelt sich im angrenzenden See wieder, der durch das Panorama, endlos erscheint. Irgendetwas scheint sie in ihren Bann zu ziehen, denn sie läuft einfach ganz gemächlich los, ohne den Blick nach vorne zu verlieren.
„Du wolltest doch jetzt los?“, ruft die Stimme ihres besten Freundes, der mit dem Auto vor dem Eingang steht. Ohne sich umzudrehen antwortet sie, „Ja, einen kleinen Moment. Da ist irgendetwas. Ich bin gleich wieder da.“
Sie hat einen starken Drang, dem auf den Grund zu gehen, obgleich sie keine Ahnung in sich trägt, was es sein könnte. Sie weiß nur, dass sie das jetzt machen muss. Ihre Schritte werden immer zügiger Richtung See. Sie verlässt sogar die Wege und läuft einfach über die Wiesen und erinnert sich an eine kleine Bucht. Eine innere Stimme sagt ihr, dass sie genau dahin gehen muss. Sie hat keine Zweifel daran, dass das was sie gerade tut falsch sein könnte. Sie macht es einfach und ist sich sicher, dass sie die Antwort genau an dieser Stelle bekommt.
Noch bevor sie die Einbuchtung erreicht, kann sie diese schon von einer kleinen Entfernung her erkennen und wundert sich. Sie vernimmt eine Frau die ihr auf die Distanz hinweg fremd erscheint. Sie wird immer neugieriger, was das alles auf sich hat. Ebenso erscheint ihr da irgendetwas nicht zu stimmen, wobei es ihr auch unangenehm erscheint denn die Frau entledigt sich ihrer Kleidung. Sie kommt immer näher und kurz bevor sie eintrifft kann sie erkennen, dass sie die junge Frau schon ein paar Mal im Hotel gesehen hat. Was hat es mit dieser Frau, die ihr gleichzeitig sehr kindlich erscheint, auf sich? Ihre langen welligen Haare, schimmern in der Abendsonne noch goldener und intensiver rot als es sonst schon der Fall war. Sie fiel alleine wegen ihrer wundervollen Haarpracht auf und konnte in dem vollsten Raum nicht übersehen werden. Sie trägt nur noch ihre Unterwäsche. Ihre Haut ist seidenschimmernd und ebenmäßig weiß. Sie ist von einer sehr zierlichen Statur. Als sie immer näher kommt, kann sie Narben an den Armen finden und vereinzelt kann sie blaue Flecken entdecken. Ganz leise hört sie das Weinen der Frau, die sie immer noch nicht entdeckt hat. Sie muss mit ansehen, wie diese sonst so sanft und gutmütig wirkende Frau, wild auf den Baum einschlägt, bis sie an den Händen zu bluten beginnt. Sie kann nicht anders, als sich zu erkennen zu geben und dazwischen zu gehen. Was hat diese Frau dazu getrieben, sich so zu hassen, dass sie sich selber so verletzen muss? Sie hatte in den letzten Tagen schon eine Ahnung, dass sie nur eine Fassade präsentiert bekommt, aber sie konnte nichts greifen und hat es dann auch damit belassen. Was hätte sie denn sonst tun sollen? Jetzt hingegen sieht alles etwas anders aus. Als die Frau sie bemerkt, ist sie so erschrocken und entsetzt, dass sie schreiend ins Wasser rennt. „Lassen sie mich in Ruhe! Ich will und ich kann nicht mehr!“ Ohne auch nur darüber nachzudenken, springt sie, so wie sie ist, hinterher und bekommt sie auch schnell zu fassen. Die Frau versucht sich nur einen ganz kleinen Moment zu wehren, gibt sich der Umarmung von ihr aber auch gleichermaßen hin, bricht in dem noch flachen Wasser zusammen und beginnt bitterlich zu weinen. Sie hält sie, während sie im Wasser sitzen, einfach im Arm und lässt sie weinen. Hält diese fremde Frau, die ihr in diesem Augenblick so vertraut und hilflos erscheint, einfach nur fest. Ganz vorsichtig versucht sie diese zu beruhigen und spricht ganz leise und sanft beruhigende Worte. Am Ende kann sie nur noch sagen, das sie niemals alleine sein wird. Sie wird für sie da sein. Sie weiß nicht warum sie das sagt, aber all die Worte sprudeln einfach so aus ihr heraus und sie weiß, dass es das Richtige ist.
Die Frau hat sich beruhigt und schaut sie mit skeptischem und dennoch friedlichem und hinterfragendem Blick an. Nach einer kurzen Weile bricht sie ihr Schweigen und fragt unverblümt, „Warum bist du alleine? Warum hast du keinen Partner?“
Sie schaut etwas verdutzt, da sie sich nicht erklären kann woher diese Frau diese Informationen hat, aber es ist wie es ist und sie möchte das gerade gewonnene Vertrauen nicht gleich wieder verlieren. Deswegen antwortet sie ihr ganz ehrlich und sachlich.
„Ich muss ein Leben führen, in dem ich nie wirklich alleine bin, viele Aufgaben habe, so dass es sehr schwer ist einen Mann zu finden der sich darauf einlassen kann, da es für ihn sehr einschneidend wäre. Gleichzeitig ist eine meiner Aufgaben auch jene, für viele Menschen da zu sein, wie gerade auch für dich. Ein Partner müsste auch dies akzeptieren, damit leben und mich teilen können, was es noch um einiges schwieriger macht. Ebenso habe auch ich mein Päckchen an Sorgen, Problemen und unangenehmen Gegebenheiten zu tragen, welches ein neuer Partner ebenso ertragen müsste, da es Gegebenheiten jene sind, die sich nicht ändern lassen, außer das man damit lebt. Aber der eigentliche Grund und somit der Wichtigste ist, das mein Herz nicht frei ist.“
Sie ist ganz erstaunt wie offen und ehrlich sie diese Worte gesprochen hat, wobei sie frei von Verzweiflung, Kram und Wut waren, sondern erfüllt, von allem was sie umgibt. Die Frau weißt sie mit einem Mal zurück. Blickt kurz über ihre Schulter und steht mit beschämten und leicht entrüsteten Blick auf  und verlässt das Wasser, nimmt ihre Sachen und verschwindet den Weg entlang. Im selben Augenblick tritt auch ihr bester Freund hervor, „Wo bleibst du denn, du wirst erwartet.“, bis er sie leibhaftig sieht, in ihrer Kleidung, pitschnass im Wasser sitzend und mit einem Mal lachen muss.
„Wie du schon wieder aussiehst. Was ist denn mit dir geschehen. Na komm schon her.“ Er reicht ihr seine Hand um ihr aus dem Wasser zu helfen. Sie schämt sich, aber innerlich nur für den Anblick, den sie abgeben muss. Gleichzeitig möchte sie in diesem Moment auch nicht über das Erlebte reden. So sitzen sie noch eine kleine Weile, schweigend beisammen und schauen dem Sonnenuntergang zu. „Wollen wir los?“, fragt sie mit einem Male. Er nickt und sie machen sich auf den Weg, um endlich abzureisen.

© by Emma Wolff (21.08.2012)



1 Kommentar:

  1. Eine richtig schöne Geschichte mit viel Sinn und Gefühl.
    Mir gefällt, wie oft bei Ihnen, die kurze Momentaufnahme, ohne Vorher und Nachher. Das lässt viel Raum für die Fantasie.

    Besten Dank und einen schönen Tag

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