Tick, Tack.
Tick, Tack.
Endlich
ist der letzte Karton ausgepackt. Sie fühlt sich in ihrem neuen zu Hause wohl.
So lange es auch gedauert hat, wie sie parallel zu ihrer Arbeit, an jedem
weiteren Abend, die Wohnung eingeräumt und gestaltet hat. Umso mehr fühlt sie
sich jetzt angekommen, in diesem neuen Heim.
Ein
neuer Anfang im Leben. Ein neuer Start, in einer neuen Stadt und sie fühlt sich
angekommen und frei.
Am
Nachmittag hatte sie ein Gespräch mit einer Nachbarin aus dem Haus, welches ihr
immer noch etwas nahe geht, weil sie so manche Information nicht wirklich
einordnen kann.
‚Warum
können sich manche Menschen nicht klar und deutlich ausdrücken, sondern halten
alles immer in der Waage. Dabei wollte sie mir doch irgendetwas Wichtiges
erzählen. Es wirkte unheimlich, so wie sie von der Familie aus dem Erdgeschoss
sprach.’
Tick,
Tack.
Tick,
Tack.
Sie
genießt für einen kleinen Augenblick den Ausblick aus dem Fenster und wie alles
in den Farben der untergehenden Sonne gehüllt ist, bevor sie in die Küche gehen
und sich etwas zu Essen machen möchte. Sie möchte die neue Umgebung und die
Stille, ebenso wie den Tag mit einem schönen Essen ausklingen lassen, bevor sie
morgen früh, in neuer Frische, all das genießen möchte, was auf sie wartet.
Spontan
entscheidet sie sich noch einige Blumen umzustellen und einige dieser Töpfe auf
dem Balkon zu platzieren. So bekommt sie mit, dass auch ihre Nachbarin auf dem
Balkon sitzt. Sie grüßt sie durch ein Nicken, da sie sofort spürt, das sie ihre
Ruhe haben möchte, was sie nicht nur nachvollziehen kann, sondern auch
respektieren möchte.
So
hat jeder sein Päckchen zu tragen. Auch, wenn sie jetzt einen großen Teil
hinter sich gelassen hat, so trägt auch sie ihres noch auf den Schultern.
Tick,
Tack.
Tick,
Tack.
Als
sie in der Küche steht, wird ihr bewusst, dass sie noch bis Ende der Woche für
sich alleine ist und dann auch ihre Tochter wieder bei ihr ist. Sie ist so
glücklich das sie diese Zeit und die Ferien bei ihren Großeltern sein konnte,
so dass alles in den neuen Räumen für sie zurecht gemacht ist und sie sich
gleich wohlfühlen und ankommen kann.
Sie
freut sich auf die Zukunft und möchte an die Vergangenheit auch keinen Gedanken
mehr verschwenden. Obgleich, sie sich in ihren Träumen nicht ausmalen kann, was
auf sie zukommen wird, so fühlt sie sich dennoch so frei, dass sie allem, was
sie umgibt, einfach vertraut und alles auf sich zukommen lassen möchte.
Tick,
Tack.
Tick,
Tack.
Während
sie sich einen Tee kocht, hört sie auf einmal lautes Männergebrüll aus der
Wohnung unter ihr. Sie hört wie etwas zerbricht. Wie das Treiben immer lauter
und wilder wird. Sie hat die Fenster und auch die Balkontüre noch geöffnet.
Sofort fällt ihr das Gespräch mit der Nachbarin ein. Als sie diese Fragen
möchte, ob sie dieses Geschehen heute in ihrem Gespräch meinte, bekommt sie nur
noch mit, wie diese fluchtartig den Balkon verlässt und alle Fenster und Türen
verschließt. So wirklich kann sie dieses Verhalten nicht verstehen, doch sie
kann in diesem Moment nichts daran ändern und geht zurück in ihre Wohnung.
Tick,
Tack.
Tick,
Tack.
Immer
lauter wird das Geschrei. Seine Wut ist selbst in ihr zu spüren. Sie hört wie
mehr geschieht, als nur das Gebrüll des Mannes. Sie fühlt sich nicht wohl, bei
dem was sie tut. Sie geht in den Hausflur, in der Hoffnung, dass sie noch mehr
mitbekommt, da sie nicht etwas tun möchte, was aus falscher Annahme rührt. Der
Lärm und die Aktivitäten des Mannes schallen durchs ganze Treppenhaus. Sie ist
sich nun ganz sicher, dass er nicht nur in der Wohnung herum schreit, sondern dass
er seine Frau schlagen muss. Alles geschieht so sehr schnell. Sie überlegt
einfach nicht und agiert nur. Sie weiß nur, dass sie das nicht einfach so
geschehen lassen kann. Nein sie muss etwas tun.
Tick,
Tack.
Tick,
Tack.
Sie
greift sofort nach dem Telefon, als sie zügig und auf Zehenspitzen wieder in
ihrer Wohnung zurück ist. Ohne lange zu zögern, ruft sie die Polizei und bittet
um Hilfe. Sie schildert in knappen Worten, was geschieht und das man bitte
sofort Hilfe schicken soll, die ihr auch sofort zugesagt wird.
Danach
lässt sie sich einfach nur auf dem nächsten Stuhl nieder und fühlt sich
erleichtert und angespannt zugleich.
Erleichtert,
dass sie den Mut gefunden hat, Hilfe für die Frau zu rufen, aber angespannt,
weil ihr dieses Erleben zu nahe geht und sie sich wünscht das es schnell vorbei
geht und der Frau, die sie noch nie gesehen hat, wirklich geholfen werden kann.
Tick,
Tack.
Tick,
Tack.
© by Emma Wolff (4.5.2012)
Anmerkung
der Autorin:
Keiner
sollte die Augen vor dem verschließen, was hinter verschlossenen Türen
geschieht. In dieser Geschichte war das Opfer eine Frau. Jedoch darf man nie
vergessen, dass dies auch sehr vielen Männern geschieht, darüber wird nur noch
weniger gesprochen, weil es für den Mann einen Gesichtsverlust darstellen
würde, in dieser Gesellschaft in der wir leben.
Es
wird oft auf die Frau reduziert, da die Statistiken eben oft nur darauf
beruhen, oder die Männer noch weniger Mut haben, Hilfe zu suchen. Umso
wichtiger ist es, das es für diese auch Hilfe gibt, damit es vielleicht nicht
nur ein Frauenproblem bleibt, sondern endlich gesehen wird, dass häusliche Gewalt
ein gesellschaftliches Problem ist, welches sich durch alle sozialen Schichten zieht.
Dazu wird es irgendwann noch Geschichten geben, da mir auch diese schon
begegnet sind.
Häusliche
Gewalt ist nicht nur physischer Natur, sondern findet in psychischer Gewalt
einen noch größeren Raum als anders wo.
Die
Folgen und Traumatas die alle damit erleben, bleiben ein Leben lang bestehen,
deswegen sollte jeder helfen und die Augen vor diesen Problemen nicht
verschließen.
Die
Opfer haben keine Kraft für Mut, deswegen brauchen sie Hilfe.
Selbst
wenn man nur die Polizei ruft. Jedoch man tut etwas und lässt es nicht nur geschehen.
Ebenfalls
gibt es viele Anlaufstellen, sei es das Frauenhaus, für Frau und Kind, zugleich
gibt es auch Interventionsstellen und Beratungsstellen für Opfer von häuslicher
Gewalt, die ihre Türen offen haben, für Frauen und Männer, sowie auch für die
Kinder.
Es
gibt viele Möglichkeiten, doch vor häuslicher Gewalt sollten die Augen nicht
verschlossen werden. Jeder kann helfen, sei es durch eine helfende Tat oder
durch das Mutspenden bei den Opfern.
Ich
danke allen für das Lesen diese fünfteiligen Reihe, „Einer Geschichte aus 5
Perspektiven“ und hoffe, das einige Mut schöpfen konnten, andere die Augen
nicht mehr verschließen, oder wieder andere achtsamer miteinander umgehen
werden.
Emma
Wolff
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