Es scheint wie eine schwere Last auf seinen
Schultern, auf seinem Gemüt zu liegen, alleine bei dem Gedanken, das es Orte
geben soll, an denen alles vereint ist und damit auch das Leben vorüber sein
soll. Ein Gedanke den er nicht an sich heran lassen kann. Er möchte sich nicht
vorstellen, wie es ist, wenn dieses Leben zu Ende gegangen ist. Alles, was er
damit verbindet ist der Schmerz und der Kummer des Loslassens und des
Verlustes. Der Verlust geliebter Menschen. Ebenso, erscheint es ihm aber auch,
ein Ort von Leid, Krankheit und Gewalt zu sein, alleine wenn er überlegt, wieso
die Menschen wohl jetzt dort begraben liegen.
So
dreht er immer seine Runden, auf den Wegen des Lebens, immer mit dem
unbewussten Vorsatz, den Tod und alles was damit zu tun hat, mit einem großen
Bogen zu umgehen. Alles verselbständigt sich so sehr, das auch seine
Achtsamkeit um dieses Bestreben nachlässt und er vor einem großen Tor steht. Er
ist es gewohnt, nicht zurück zugehen. Nur, wenn er jetzt vorwärts geht, dann
muss er über einen Friedhof gehen. Eine ganze Weile bleibt er stehen, hadert
mit sich und der Entscheidung, die eigentlich schon mit eintreffen an diesem
Ort gefallen ist.
Die
ersten Schritte wagt er nur zaghaft voran und ein beklemmendes Gefühl
umschließt seine Brust. Er traut sich kaum nach rechts und links, geschweige
denn gerade aus zu schauen. Sein Blick ist die ersten Meter einfach nur auf
seine Füße gerichtet und jeder weitere Gedanke macht es ihm fast unerträglich in
dieser gegenwärtigen Situation. Zu sehr ist er gefangen in dieser Angst und
seiner grauenvollen Illusion vom Sterben. Abermals bleibt er einen Moment
stehen, zu sehr verspürt er in sich, das er etwas ändern muss, zu stark ist das
Gefühl, das es ihn sonst fast zerreist. Er möchte sich diesem Schmerz und
dieser Trauer, die in ihm aufzukeimen beginnt, nicht einfach hingeben. Es sind
nur Gedanken und Vorstellungen. Ist es doch nichts was wirklich ist.
Vorsichtig
wagt er jetzt Blicke auf die Grabsteine. Alle liegen oder stehen sorgfältig und
gepflegt vor sich hin, ebenso wie sie mehr oder weniger mit wundervollen Blumen
und Grün umwachsen sind. Alles was er sieht ist eine Ruhe. Auf manchen der
Steine stehen Figuren und auf wieder anderen steht, in schönen Schriften, etwas
über diesen Menschen der dort begraben wurde. Nach und nach wird er neugierig,
bis er sich nach einer Weile auf einer Bank niederlässt. Er atmet mehrmals ganz
tief ein und aus.
‚Das
Schlimmste, was der Tod mit sich bringt, ist das Leid, welches der Mensch
hinterlässt, der Schmerz des Loslassens, aber an sich ist das Sterben nichts,
wovor man Angst haben muss.’
Seine
Gedanken werden immer ruhiger. Er sitzt auf einem Hügel und schaut auf all das,
was sein Blick, in jedem einzelnem Augenblick aufnehmen kann. Immer mehr
verspürt er in sich, wie Ruhe aufsteigt und die Angst immer weniger wird. Eine
wohlige Wärme macht sich in ihm breit und immer mehr nimmt er ein Gefühl der
Leichtigkeit in sich wahr. Als würde ihm diese so unsagbar große Last der Angst
genommen werden und ein tiefer Frieden macht sich breit. Er sieht die Steine
als Symbol des Todes und zum Gedenken der Menschen. Gleichzeitig, sieht er wie
alles, was dieses Ganze umgibt, zu neuem Leben erwacht. Er kann jetzt, wo er
sich all dem hingibt, nicht nur sehen was ist, sondern er kann ganz deutlich in
sich spüren, wie alles miteinander vereint ist. Er vernimmt, wie alles
zusammenhängt und wie aus dem Tod etwas Neues unwahrscheinlich Schönes
entstehen kann. So nah, wie hier in dieser absoluten Stille und Ruhe, genau an
diesem Platz, fühlt er sich noch nie dem Tod, ebenso wie er mit jedem Atemzug
den er macht, immer mehr das Leben durch seinen Körper und jede einzelne Pore
dessen, durchströmen spürt und in sich, bei sich immer mehr ankommt.
Ja,
er ist am Leben.
Er
ist in diesem Leben, zudem der Tod und das Leben ebenso zusammen gehören, wie
die Liebe zum Leben, denn diese ist in ihm, während des Tages so sehr
gewachsen, das sie all die erdrückende Leere, in einer gewaltigen unendlichen
Kraft ausfüllt, das es ihm fast das Gefühl eines Tanzes oder des Fliegens in
seine Seele legt, welches ihn unendlich mit Frieden, Liebe und Glückseligkeit
erfüllt.
© by Emma Wolff (16.3.2012)
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