Sonntag, 15. November 2009

Der 9.11.1989 wie er irgendwo gewesen sein könnte oder vielleicht auch war?

…….. In einem kleinen Raum eines Gewölbekellers, sitzen sie auf Kartoffelkisten, die sie mit alten Matratzen aufgepolstert haben. In einer Ecke habe sie ein kleine Kochplatte auf einem Sperrmüllschränkchen stehen, worauf sie sich, an diesem kühlen Herbstabend, mit dem alten verbeulten Wasserkessel Tee kochen konnten. Sechs jungen Menschen sitzen um einen Tisch. Wirken für diesen einen kleinen Moment entspannt. Obwohl sie in dem Bewusstsein sind, das sie hier nicht ganz im Sinne aller sein dürften. Alle gehen noch in die Schule und versuchen sich dem ganzen Leben in diesem Land zu fügen und unterzuordnen. 
Nur nicht auffallen. Auf keinen Fall offen sagen, dass man sich einmal in der Woche hier trifft. Nein. Einige unter ihnen dürften hier eigentlich nicht sein. Leben sie doch in einem Staat, in dem es nicht gerne gesehen wird, wenn man sich zu Gott und der Kirche wendet. Doch diese paar Jugendlichen lassen sich davon nicht beirren und treffen sich einmal in der Woche, mit dem Jugendwart der Evangelischen Kirche, in diesem kleinen Kellerzimmer. Es ist ihr kleiner Raum, in dem sie sein können wie sie sind. 
Sie reden über Gott und die Welt. Schenken sie aber auch den politischen Ereignissen der Weltgeschichte, in denen sie leider zu dieser Zeit leben, auch sehr viel Beachtung. Doch hier können sie sein wie sie sind. Können auch ihren menschlichen Gedanken freien Lauf lassen. Sich einfach äußern. Leider können sie das nur dort. Mussten doch einige ihnen auch schon die Erfahrung machen, wie es einem ergeht, wenn man es in der Öffentlichkeit tut. 
Vom Regime des Landes ist dies nicht gerne gesehen. Ja, sogar verboten, wenn es nicht im Sinne dieser Macht ist. So leben sie, alleine auch durch diese Vorkommnisse, in dem Bewusstsein, die ganze Zeit beobachtet zu werden. Für diesen Moment, an diesem Ort, ist es ihnen egal. Sie wissen, dass dieser Raum keine Wanzen enthält. Zumindest sind sie in diesem guten Glauben. 
Mitten in einer regen Diskussion, springt auf einmal die Türe auf. Alle schrecken zusammen, so sind ja auch einige gegen den Wunsch ihrer Eltern hier. Das plötzliche und abgehetzte Erscheinen des Kösters in der Türe, lässt alle wieder in eine Erleichterung zurückfallen. Dieser wild gestikulierende Mann ist sehr aufgebracht und vollkommen außer Atem. Er muss den ganzen Weg gerannt sein. So bringt er schnaubend nur ein paar Worte heraus, die keiner fassen, geschweige denn glauben kann. 
Alle sind aufgebracht und reden durch einander. Da es nicht sein kann. Nicht so plötzlich. So unerwartet. Sind sie fast noch zu jung um wirklich begreifen zu können, was das alles für ihr Leben heißen sollte. Zwar ging die halbe Republik seit Wochen schon dafür auf die Straße, doch hätte keiner solch eine überraschende Wendung für möglich gehalten. Die zwei Männer unterhielten sich sehr aufgeregt, wobei der Köster immer wieder wiederholte „In der Aktuellen Kamera haben sie es doch eben gesagt. Geh rüber zu deiner Frau. Schau selber nach. Ich bleibe so lange für dich hier.“ 
Mittlerweile war er auch wieder zu Atem gekommen und goss sich erst einmal eine Tasse Tee ein. Angespannt warteten alle auf die Rückkehr des Jugendwartes. Um zu erfahren was nun wirklich los ist. In welch einer Situation sie sich und das Land wirklich befanden. Einige stellten sich vor wie es sein könnte, wenn es wahr wäre. Andere wiederum verfielen in ein tiefes Schweigen. 
Eine kleine verängstigte kleine Person in der Ecke gehört auch zu denen die kein Wort mehr sagen. Sie beschäftigten zudem Ganzen noch eine andere Frage. Wussten ihre Eltern schon, dass sie auch heute wieder heimlich die Wohnung, ihr separat liegendes Zimmer verlassen hatte? Sicherlich schon. Doch wie würden sie in an betracht der Tatsachen reagieren. Hatte man es ihr doch strickt verboten sich hier her zu begeben. Normaler Weise folgt sie immer. Tut alles was man von ihr verlangt. Doch in diesem Punkt konnte sie nicht anders, war es der einzigste Ort an dem sie sich wirklich wohl fühlte. 
Nach Minuten, die wie eine Ewigkeit wirkten, kam auch der Jugendwart wieder zurück in den Keller, und bestätigte das, was vorher so überraschend berichtet wurde. Die meiste Zeit der zwei Stunden, die sie sich sonst hier trafen war schon vorüber, also löste man die Runde für diesen Tag, auf Grund der besonderen Gegebenheiten auf. Wie in einem Rudel verlassen sie zusammen das Haus. Alle redeten wild durcheinander. Nur diesem einen Mädchen wurde jetzt, das erste Mal seit dem sie zu dieser Runde ging, Angst und Bange nach Hause zu gehen. 
Wie jede Woche wurde sie von einigen ein Stück des Weges begleitet, damit sie nicht alleine durch einen dunklen Park laufen musste. Die letzten Meter lief sie Gedankenlos alleine weiter. Sie konnte nicht einschätzen was sie jetzt wirklich zu Hause erwarten würde. Gab es in der Vergangenheit häufiger nach diesen Treffen Diskussionen, und beim letzten Mal wurde das strenge Verbot mit seinen Konsequenzen ausgesprochen. 
Den Schlüssel brauchte sie nicht mehr in die Türe stecken, wurde sie gleich dort abgepasst. Wütend stand ihr Vater vor ihr. Voll des Zornes. Angestachelt durch den Alkohol, holte er schon mit polternden Worten aus. Sie stand einfach nur wie versteinert vor ihm und sagte in einer Seelenruhe: 
„Die Mauer ist auf!“…………… 




© by emma (9.11.2009)

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