Sonntag, 15. Juli 2012

Geschichten des Lebens XXV – Wie in einer andern Zeit





Ein hektisches Treiben empfängt sie in der Mitte dieser Stadt. Gehetzte und gestresste Menschen rennen durch den Tag und all ihren Terminen hinterher. Sie rennen mitten durchs Leben und bekommen von diesem nichts mit, da sie nicht einmal wahrnehmen können, wo sie sich eigentlich befinden. Sie sind mit ihren Gedanken schon in der Zukunft, bei den nächsten Terminen und werden von ihren Ängsten so sehr gefangen genommen, dass sie alles andere nicht mehr sehen und spüren können. Nur eine starke Mauer ihrer Seelen bietet ihnen den Schutz, aber so können sie auch die Schönheit und die Liebe, die ihnen zuteil kommen soll nicht mehr empfangen.
Inmitten dieser Gegebenheit bleibt sie stehen. Die Reize und die Stimmen, die Hektik und die Bilder erscheinen ihr zu viel. Sie erträgt das nicht und fühlt sich überfordert, obgleich sie doch nur einen Spaziergang und Bummel durch die Stadt machen wollte. Einfach dahin wohin ihre Intuition und die Zeit des Tages sie treibt. Warum sollte sie das jetzt erleben? Sie weiß es nicht. Jedoch möchte sie am liebsten nur ganz schnell wegrennen. Das Leben hat aber seine eigenen Gesetze und sie weiß, dass es seinen Grund haben wird, warum sie genau an diesem Ort und genau in diesem Moment, in diesem Treiben landen sollte.
Auf der nächsten Bank lässt sie sich nieder und schaut, ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden. Sie schaut den Menschen in die Augen. Sie beobachtet ihr Verhalten und ihr Handeln. Alles was ihr Blick erfassen kann, nimmt sie in sich auf. Ja, sie saugt ihre ganzen Beobachtungen in sich auf und die Kälte, die sie an diesem Sommertag berührt, lässt sie erschaudern. Sie fühlt sich wie in einem Film, nur das sie die Zuschauerin ist und nicht zu der ganzen Szenerie gehört, obwohl sie mittendrin und nicht nur dabei ist.
Sie schließt die Augen und spürt wie die Sonne, die gerade durch die Wolken bricht, berührt. Sie hört ihren Atem und ihren Herzschlag. Sie saugt die Wärme der Strahlen in sich auf, als hätte sie Angst, dass es die letzten ihres Lebens wären. Als würden sie das Einzige sein, was sie noch retten kann, bis sie ganz leise und aus weiterer Ferne sonderbare Musik vernimmt. Musik die sie aus ihrer Kindheit kennt, aber an diesem Ort hätte sie niemals mit ihr gerechnet.
Wie in ihren Bann gezogen, folgt sie diesen Klängen, durch die kleinen engen Gassen und am Ende eines kleinen Weges eröffnet sich ihr ein kleiner Platz, auf dem überall kleine Stände aufgestellt sind, auf denen Kunstwaren und Keramik in altertümlichen Stil verkauft werden sollen. Zwischen drin gibt es kleine Hütten, an denen Obst und Gemüse verkauft werden. Alle sind um einen schönen Brunnen aufgebaut. An diesem leicht vor sich hin plätschernden Wasser, steht in einem alten Frack ein Mann mit seinem Leierkasten auf dem ein Affe sitzt und Schaulustigen zuwinkt. Sie kann ihren Augen kaum trauen. Sie fühlt sich wie in einer anderen Welt, ganz bei sich und dennoch irgendwo. Alles was sie umgibt ist unglaublich schön. Die Menschen arbeiten in einer Ruhe und Herzlichkeit, etwas was sie sich in ihrem Alltag immer wünscht und versucht in jedem Augenblick zu leben. Irgendetwas in ihr gibt ihr das Gefühl angekommen zu sein. Angekommen bei sich und im Leben. Ein Ort den sie unbewusst immer gesucht hat und eine Lebensart, die ihr so vertraut scheint, als würde sie schon immer in ihr leben. Eine ganze Weile läuft sie über den Platz. Bleibt an jedem einzelnen Stand stehen und saugt diese Schönheit, die Andersartigkeit die sie in jeder Ecke entdeckt in sich auf. An einem Stand kauft sie sich ein paar Äpfel und lässt sich am Fuße des Brunnens nieder, um diesem Geschehen noch weiter beizuwohnen und zu erleben. Sie ist einfach an diesem Ort und in jedem einzelnen Moment und bemerkt nicht wie die Zeit verfliegt. Bei Sonnenuntergang macht sie sich auf dem Weg nach Hause und spürt genau, das sie für sich heute einen ganz besonderen Tag erleben durfte, welcher in ihr eine große Veränderung hervor rief, die sie noch lange begleiten wird.

© by Emma Wolff (01.07.2012)





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