Samstag, 20. März 2010

Hinter verschlossenen Türen

Ein wundervoller Frühlingstag. Die Sonne scheint schon mit all ihrer Kraft. Vögel flattern zwitschernd in der Luft und am Himmel herum. Alles beginnt zu grünen und zu blühen. Sie liebt diese Jahreszeit. Mit all den Farben und dem ganzen Licht. Liebt es das Ganze zu genießen. Es ist wunderbar, auch in so einer schönen und grünen Gegend zu wohnen. Fernab von dem Gewühl der Stadt. Zwischen den vielen schönen Villen umringt von prächtigen Gärten. Dahinter erschließt das Ganze gleich ein großer Wald. Für sie und ihre Freunde ein riesengroßer Abenteuerspielplatz. Erschöpft lässt sie sich auf der Küchenbank nieder und betrachtet voller Begeisterung das in voller Blüte stehende Mandelbäumchen vor dem Fenster. Sie ist alleine zu Hause. Ihre Eltern sind sehr beschäftigt mit ihren Karrieren. Ihre Welt ein kleines besser zu machen, in dem sie um Recht, Ordnung und gegen Gewalt kämpfen. Selbstlos für andere einstehen, und um immer ein gutes Bild in der Gesellschaft abzugeben. Selbiges wird natürlich auch von ihr abverlangt, so wie sie dafür auch alle Arbeiten im Haus zu bewältigen hat. Doch in diesem Moment möchte sie einfach nur da sitzen. Da sitzen und das Bäumchen vor dem Fenster betrachten. Sich für einen kleinen Moment ihren Tagträumen hingeben. Einen kleinen Augenblick, um der Kälte des Raumes und den Verpflichtungen zu entfliehen. Dann spürt sie das Leben. Genauso wie, wenn sie sich der Musik hingibt. Ihre Leidenschaft, einfach alles was in ihr ist. Das ist alles was sie immer am Leben erhält. Nur einen kleinen Augenblick, den sie für sich hat. Für sich allein. Das Klingeln an der Haustüre holt sie wieder aus anderen Welten zurück. Panisch springt sie auf. Sie hat schon wieder viel zu lange da gesessen. Schnell rennt sie durch das Haus, um die Türe zu öffnen. Ihre Freundin steht da um sie zu fragen ob sie zum Spielen herauskommt. „Ich kann leider nicht. Ich habe hier noch so viel zu tun und bin noch lange nicht fertig.“ „Hast wieder geträumt?“ Sie nickt nur. „Soll ich dir schnell helfen?“ „Das geht nicht. Du weist doch das ich niemanden ins Haus lassen darf. Aber ich beeile mich und dann haben wir vielleicht noch etwas Zeit.“ „Gut. Dann gehe ich noch mal schnell zu meiner Oma und dann warte ich hier vor der Tür auf dich.“ Sie nickt hastig und schließt die Türe. Sie wirkte immer wie nicht von dieser Welt, wenn sie zu Hause ist. Wie eine Erwachsene in einem kleinen zierlichen Kinderkörper. Unverzüglich geht sie in die Küche zurück und macht sich an den Hauhalt. Auf ihren kleinen Bruder braucht sie mal nicht zu achten, der ist gerade im Nachbarhaus zum spielen. Also liegt ihre ganze Aufmerksamkeit in ihrem Tun. Immer mit der Angst begleitet sie könnte etwas übersehen. So schnell es ihr gegeben ist erledigt sie alle ihr gestellten Aufgaben. Bis sie der Meinung ist, es sei vollbracht. In der Hoffnung das sie nichts vergessen hätte. Alles glänzt und strahlt in dem Sonnenlicht welches durch die Fenster scheint. Ihre Freundin wartete die ganze Zeit auf den Stufen vor dem Haus. Bis sie endlich so weit war und aus dem Haus tritt. Diese springt sofort auf und schnappt ihr Fahrrad. „Wollen wir auf den Spielplatz?“ „Nein. Ich muss wegen meinem Bruder hier bleiben, falls irgendetwas ist oder er wieder rüberkommt. Sonst steht er vor verschlossener Tür.“ Die Freundin seufzte „ Ja dann lass und hier vor dem Haus im Garten spielen. Gummitwist?“ Sie nickt. Noch bevor sie irgendetwas denken kann, ist das Gummi zwischen einem Baum und dem Gartentor gespannt. Ausgelassen und lachend springen die beiden herum. „Da kommt ja dein Vater!“ ruft ihre Freundin mit dem Finger auf die Straße deutend. Sie schreckt zusammen. Das ist doch noch gar nicht seine Zeit, zu der er sonst immer nach Hause kommt. Das Abendbrot ist auch noch nicht vorbereitet. Bevor sie überhaupt die Gedanken zu ende denken kann, steht er auch schon vor ihr. Noch ehe er das Tor geöffnet hat, stellte sie sich mit leicht gesenktem Kopf an den Weg. Rechtfertigende Worte, wieso sie hier spielte, schossen aus ihr heraus. „Ich habe auch alles gemacht.“ Sie wagte kaum ihn anzusehen. Schielte nur verlegen über den Rand ihrer Brille. „Wie wäre es wenn du erst einmal jemanden Guten Tag sagen würdest, bevor du jemanden ansprichst. So macht man das wenn man sich anständig zu benehmen weis.“ fährt er sie im gereizten Ton an und spricht im selben Ton weiter, während er weiter, an ihr vorbei läuft. „Wenn du alles ordentlich erledigt hast, dann ist ja gut. Wo ist dein Bruder?“ Hektisch und ganz leise antwortet sie auf seine Frage und entschuldigt sich bei ihm für ihr Verhalten. Die ganze Zeit schaut sie auf ihre Schuhe. Schämt sich so sehr, das sie nur noch unsichtbar sein möchte. Kennt sie den Tonfall ihres Vaters nur zu gut. Angst breitet sich in ihr aus. Schon kommt er auch wieder zurück, in den Hauseingang. In sehr strengem, leisen und bestimmenden Ton befiehlt er ihr sofort hinein zukommen. Ihre Freundin schickt er nach Hause. In kleiner, gebückter Haltung versucht sie sich, an dem für sie riesig wirkenden Mann, vorbei zu schlängeln. In Gedanken, sich fragend, was sie jetzt wohl wieder falsch gemacht hat. Sich über sich selber ärgernd, das sie nicht einmal etwas recht machen könne. Er lässt sie gewähren. Schließt hinter ihr schweigend die Tür des Hauses, in dem zwei Familien leben. Er überholt sie bis sie wenige Schritte später vor der Wohnungstür stehen und wendet sich ihr zu. Noch bevor sie zu ihm aufschauen kann, spürt sie wie er ihr mit solch einer Kraft ins Gesicht schlägt, das ihre Brille durch den ganzen Flur fliegt. Gleichzeitig schreit er sie an, ob sie denn sogar zu blöd sei eine Türe ordentlich zu verschließen. Im nächsten Augenblick zieht er sie auch schon durch diese in den Korridor. Kaum richtig in der Wohnung schlägt er abermals zu und schreit sich immer mehr in Rage. Sie fasst all ihren Mut und will unter Tränen etwas sagen. Zur Sicherheit und vor Angst ging sie etwas zurück, direkt vor ihre Zimmertür. Nur eine Silbe kam ihr über die Lippen. Sie solle schweigen, schrie er sie an. Soll endlich aufhören zu widersprechen und greift nach einem Knüppel von ihrem Bruder, der auf der Garderobe liegt. Wut entbrannt, weil sie es überhaupt in Erwägung zog etwas zu ihrer Verteidigung zu sagen, geht er auf sie los. Sie kann gerade noch die Zimmertüre öffnen, damit sie nicht so in die Ecke gedrängt ist. Schon spürt sie wie er auf sie eindrischt. Sie sinkt in die Knie und hält schützend die Hände über den Kopf, während sie gleichzeitig versucht ihm irgendwie den Rücken zuzukehren. Die blanke Wut bekommt sie zu spüren. All seine Wut der letzten Tage. All die Wut für falsche Entscheidungen und Erfahrungen die das Leben aufzuweisen hat. All das was zu spüren ist, wenn er es nicht im Alkohol ertränken kann. Er schlägt so lange auf diesen Kinderkörper ein, bis der dicke Stock zu Bruch geht. Lässt den Rest einfach fallen und verlässt wortlos den Raum, in dem er die Tür von außen schließt. Zusammen gekrümmt lieg sie am Boden und wagt kaum zu atmen. Bis sie hört, dass er die Wohnung verlässt. Endlich kann sie ihren Tränen freien Lauf lassen. Wie gelähmt bleibt sie da liegen. Kein Gedanke über das Geschehene kommt ihr in den Sinn. Kein Gedanke überhaupt kommt ihr in den Sinn. Liegt einfach unverändert da und weint. Wie sie es schon so oft in ihrem Leben, an diesen Ort, nach solch einer Begebenheit getan hatte. Mit einem einzigen Wunsch. Dem Wunsch sie wäre Unsichtbar. Nach einer Weile versucht sie aufzustehen. Den nachfolgenden Schmerz spürt sie schon seit Jahren nicht mehr. Sie schleppt sich ins Badezimmer um ihr tränenverschmiertes Gesicht zu waschen. Einen Blick in den Spiegel vermeidet sie lieber. So wie die meiste Zeit in ihrem Leben. „Du hast zu funktionieren!!“ sagt ihre Mutter immer wieder. Da die nach einem anstrengenden Tag auch sehr ungehalten sein kann, geht sie in ihrer Leere und inneren Erstarrung in die Küche um das Abendbrot zu zubereiten. Bevor gleich alle wieder nach Hause kommen und die Tür für den heutigen Tag gänzlich geschlossen wird. © by Emma (03.02.2010)

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