Sonntag, 4. März 2012

Geschichten des Lebens VI – Im Rausch der Klänge



Immer wieder steht er da und weiß nicht wo sein Problem liegt. Wieso kommt er über diesen einen Punkt nicht hinaus. Er starrt auf all die Blätter die mittlerweile überall verstreut auf dem Boden liegen. Immer mehr Unmut macht sich in ihm breit. Er ist wütend. Wütend auf sich und sein klägliches Versagen, sich selbst und seinem Können gegenüber. ‚Wozu macht er das alles überhaupt’, fragt er sich immer wieder. Es ist als sieht er den Wald vor lauter Bäumen nicht. Als hätte sich eine Mauer vor ihm aufgetan und weiter darf er nicht kommen und gehen. ‚Wieso schafft er es nicht sie zu durchbrechen.’ So viele Menschen haben diese Hürde mit Leichtigkeit genommen und ihm will es einfach nicht gelingen.
Immer wieder nimmt er sein Instrument und beginnt zu spielen. Doch alles was ertönt, schmerzt ihn in seinen Ohren. Wie ein Versager fühlt er sich und das was er will, gelingt ihm einfach nicht. Er will es doch aber so sehr. Alles schmerzt ihm schon und die Saiten kann er kaum noch berühren. Jedoch, er muss. Er will, dass es endlich funktioniert. Sein Blick versteinert sich immer mehr und wird so kalt, wie die Melodie und das was ihn umgibt. In seinem Herzen ist Winter. Er will das nicht. Er will es nicht nur können, sondern fühlen. Er muss fühlen können was er spielt. Dennoch, solange er vor dieser Mauer steht, wird ihm das nicht gelingen. Seine Wut steigt weiter an und irgendwann kann er sich nicht mehr halten. All seine Noten schmeißt er durch die Luft und am liebsten möchte er seine Geige vor die Wand schmeißen. Obwohl, irgendetwas in ihm bietet Einhalt und er bricht weinend zusammen. All sein Schmerz und diese Last, lassen ihn erschüttern und kommen ohne dass er es aufhalten kann zu Tage.
Erst nach einer ganzen Weile schafft er es sich zu beruhigen und in ihm herrscht absolute und vollkommene Leere. Keine Leere die schwer auf ihm lastet. Eine Leere die er noch nie erlebt hat. Eine Leere die Leicht ist und er das Gefühl von Bedeutungslosigkeit hat. Jedoch ist es wirklich Desinteresse? Irgendetwas ist verschwunden, aber alles was ihn umgibt ist noch da.
In dieser Gefühllosigkeit sammelt er die Blätter wieder ein und greift zu seinem Instrument. Die Zeit des Übens ist noch nicht vorbei und er kann einfach nicht anders als zu spielen.
So beginnt er noch einmal von ganz vorne. Ohne einen weitern Gedanken zu verschwenden fließen die ersten Töne. Alles ist noch etwas zaghaft. Die Erfahrung der letzten Stunden hängt ihm noch nach. Je mehr er die Noten mit seinen Augen verfolgt, geschieht alles von ganz alleine. Er ist voll und ganz bei dem was geschrieben steht und nichts ist mehr da, was ihn ablenken kann. Immer weicher wird das Gespielte. Immer mehr beginnt in ihm das Feuer wieder zu lodern und jeder einzelne Ton kommt wie von alleine. Sein Herz öffnet sich immer mehr und jede Kälte in ihm verschwindet voll und ganz. Die Gefühllosigkeit in ihm verschwindet und diese Leere füllt sich immer mehr, mit allem was aus ihm entspringt. Jeder Ton ist eine Faser seiner Natur. Er fühlt und spürt und wird eins mit der Melodie. Alles erwacht langsam und immer mehr vernimmt er die Liebe zu all dem Ganzen. Die Liebe zu sich, zur Musik und die Liebe zu all dem was ihm umgibt. Ein Strahlen, welches durch die Schwingungen jedes verbundenen Tones zum Tragen kommt.
Ohne, das er jemals davon mitbekommen wird, bleibt eine Frau vor dem geöffneten Fenster stehen und lauscht diesen erhabenen, warmen und voll Liebe gefüllten Klängen. Einen kleinen Moment hält sie die Zeit an und lässt sich von diesem ganzen berühren und verspürt wie das Eis schmilzt und im Rausch des Momentes und der Klänge zu neuem Leben erblüht.


© by Emma Wolff (1.3.2012)




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