Sonntag, 15. November 2009

Nach rechten Worten suchen - Trost

Mit Tränen gefüllten Augen sitzt du vor mir. Kaum ein Wort von dem was du mir sagen möchtest, kannst du über deine Lippen bringen. Es kostet dich einfach nur Mühe und Kraft. Zu schwer ist das was dir geschehen. Zu schmerzhaft ist die Erfahrung. 
Die Gefühle die dich in diesem Moment und bei jedem Gedanken daran überrollen. Du kannst nicht mehr. Kannst es nicht mehr bei dir behalten. Es erstickt dich. Nimmt dir all die Luft. All die Kraft die du für das Wesentliche brauchst. Die Dinge die du zum kämpfen brauchst. 
Aber so sehr du auch möchtest, es tut einfach nur weh. Am liebsten die Augen verschließen. Nichts hören und nichts sehen. Aber es wird dir nicht helfen. Es wird dich weiter quälen, in diesem momentanen Sein. 


Nach langem Schweigen, vielen weiteren Tränen findest du nun die Kraft. Eine augenblickliche Kälte ist zu spüren. Als würdest du aus dir herausgetreten sein. Getrennt, geteilt von deinem eigentlichen Sein. Als sprächest du wie von einem anderen Wesen, aber nicht von dir. 
Leicht lässt es mich schaudern. Kann ich es wiederum verstehen, und bin einfach nur dankbar und erleichtert für den Moment, dass du geschafft hast dich zu öffnen. Um mir, aus dir heraus zu berichten. Von all den Dingen dir dich so plagen. Alle den Gegebenheiten die dir jeden Mut für ein weiteres Leben nehmen wollen. Darüber das du Angst hast und wovor. Dich allein und hilflos fühlst. Alles am liebsten Verdrängen möchtest. Die Lasten, die sich dir gestellt haben. Die Verluste, die du bis jetzt alleine für dich erleiden musstest. Die ganze Zeit höre ich dir einfach nur zu. Nichts weiter. Schaue dir tief in die Augen, und höre dir einfach nur zu. Lasse alles einfach geschehen. 
Bin ganz bei dir. Mit all meiner Offenheit, meinem Mitgefühl und dem vollen Bewusstsein. Jetzt wo du nun fertig bist mit erzählen. 
Wie ein kleines, hilfloses Kind sitzt du zusammengekauert vor mir. So zerbrechlich. Leer sind deine Augen. Fragend dein Blick. Nicht wissen was auf dich zukommen wird. Wie soll es weiter gehen. 
Hinter einem quälten und gepeinigtem Lächeln versuchst du dich zu verstecken. Es ist dir unangenehm, das du dich jetzt geöffnet hattest. Du bist doch sonst die Starke. Willst es auch immer sein. Nun hat das Schicksal, der Lauf des Lebens, dich erwischt. 


Deine Worte, Erlebnisse. All das von dir gesagte schwirrt durch meinen Kopf. Wie erschlagen und erdrückt von alle dem, fühlt es sich bei mir an. Es muss erstmal in mir ankommen. Du wartest auf eine Reaktion. Auf eine Antwort von meiner Seite. Doch ich verspüre nur Beklemmung, da es so mächtig ist und mich überfällt. Mir jedes Wort raubt. 
Schnell versuche ich mich zu sammeln, doch bin ich gleichzeitig die Ruhe selbst. Voll und ganz im Hier. Eine Weile schweigen wir. Zwanghaft suche ich nach den rechten Worten. Doch was wären die rechten Worte? Wie kann ich deinem Leid, das Angemessene zu sagen finden. Ich spüre ein großes Mitgefühl. 
Am liebsten möchte ich dir dein Leiden, abnehmen. Doch das kann ich nicht. Ich möchte dir den Schmerz abnehmen. Aber auch das ist mir gegeben. Bloß wie finde ich die rechten Worte, um dir zu zeigen was ich gerade fühle. Um dir Trost zu spenden. 
Gibt es denn überhaupt Trost? Würden dir tröstende Worte überhaupt helfen? Könnten sie das all Gedachte auch so zum Ausdruck bringen, was ich denke und dir sagen möchte? Ohne das ich dir einen weiteren Schmerz zufüge? Dir das Gefühl geben würde, du wärst Minderwertig. Ich würde dir und deiner Situation nicht genügend Beachtung schenken. Es wäre alles andere was ich wollte. 
Aber nun sitzen wir beide hier. 
Du wie ein Häufchen Elend und ich hilflos suchend. 
Du ergreifst das Wort. Ganz zaghaft. Meintest du könntest schon wieder schon wieder weinen. 


„Dann tue es doch.“ entgegnete ich mit ruhiger warmer Stimme. 


Fragend schaust du mich an. Holtest Luft, um deine Zweifel anzubringen. Doch da lies ich dich gar nicht erst zu Wort kommen.


„Wieso solltest du es nicht können? 
Wer sagt dir denn, dass du nicht schon wieder weinen darfst und kannst? 
Wenn du das Bedürfnis danach hast, dann lasse es zu. 
Alles andere würde dir nur noch mehr schmerzen zufügen. Dir wieder die Luft rauben. 
Du bist traurig. Du bist verzweifelt. Du siehst gerade nicht mehr wie es für dich weiter gehen soll. Du weist nicht woher du die Kraft nehmen sollst. Doch nun bist du hier. Hier bei mir. Gerade hast du dich geöffnet. Hast alles was dich belastet herausgelassen. So verschließe dich nicht wieder. Es würde dir nur wieder Kraft rauben, dir Schmerzen zufügen. 
Wirklich helfen kann ich dir auch nicht. Denn es gibt nicht viel was ich für dich tun kann. 
Dein Leid kann ich dir nicht abnehmen. Aber ich kann bei dir sein. Ich kann für dich da sein. Dich auf deinem Weg begleiten, so lange es der Hilfe bedarf. 
Es gibt nicht sehr viel was ich für dich tun kann. Aber das was ich tun kann, werde ich auch machen. Für dich da sein, wann immer du mich brauchst. Wann immer es mir gegeben ist, dir zu helfen. 
Sei es nur dich in den Arm zu nehmen und dir das zu schenken, was du in diesem Moment brauchst. Einen Ort der Geborgenheit, an dem du dich öffnen kannst. Das du so sein kannst wie du bist. 
Wenn dir nach Weinen ist, dann lasse die Tränen laufen. Ich werde dann einfach nur da sein. Für dich da sein, bis es dir wieder ein Stück leichter ist ums Herz. 
Sollte dir zum Reden sein, auch dann werde ich da sein. Werde wieder hier sitzen und dir zuhören. Mit dir sprechen bis du wieder klarer sehen kannst. 
Oder weil du das Gefühl des Alleinseins nicht ertragen kannst, dann werde ich bei dir sein. Einfach nur mit dir hier sein, bis das Gefühl der Einsamkeit wieder verschwunden ist. 
Aber du bist nicht allein. Das ist das wichtigste, welches du nicht vergessen darfst. 
Du wirst alleine Ertragen und deine Hürden nehmen müssen, denn das kann dir niemand abnehmen. Ich jedoch kann dich begleiten, so weit es mir gegeben ist.“ 


Damit nahm ich sie in den Arm. Ihre Tränen flossen mit einemmal drauflos. Ich hielt sie einfach wie ein kleines Kind wiegend im Arm. Ohne ein weiteres Wort zu sagen. 
Alleine dieses Gefühl, das sie sich öffnete, es annehmen konnte und sich fallen lies zeigte, das nun doch die richtigen Worte gefunden waren, die sie in diesem Moment brauchte. 
Irgendwann schlief sie über ihren Tränen in meinen Armen ein. Ich lies sie auf dem Sofa schlafen. 


Sie braucht neue Kraft. Ein langer Weg steht ihr noch bevor, aber ich weis auch diesen wird sie überstehen können. Sie hat noch fast ihr ganzes Leben vor sich, dessen Schönheit und Reiz in ihr wohnt. Welches sie auch wieder erkennen wird. Wobei sie ein solch warmes Gefühl der Freude und des Glücks verspüren wird, das sie sieht, es hat sich gelohnt. 
Die Kräfte und die Anstrengungen lohnen sich immer, so lange man dieses Wahrhaftige in sich nicht vergisst. 
Die Schönheit des Lebens und den Seins. 




© by Emma (10.10.2009)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen